Im Interview erklärt Andreas Bittig, wie die geplante Pyrolyseanlage Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff umwandelt – und damit nicht nur CO₂-Emissionen vermeidet, sondern auch neue Perspektiven für die industrielle Energieversorgung eröffnet. Ein Pilotprojekt mit Strahlkraft über den Kanton Zug hinaus.
Herr Bittig, was genau ist geplant – und welche Rolle spielt die Pyrolyseanlage im Energiesystem des Tech Cluster Zug?
Für industrielle Prozesse auf dem Gelände des Tech Cluster benötigen wir Erdgas zur Energieproduktion. Mit der geplanten Pyrolyseanlage vermeiden wir die dabei entstehenden Treibhausgase, indem wir, anstatt das Erdgas zu verbrennen, es in Wasserstoff und Kohlenstoff aufspalten. Dieser kann als Baumaterial oder in der Landwirtschaft genutzt und so in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Das Verbrennen von Erdgas verursacht uns aktuell noch die letzte lokale CO2-Emission. Mit der Pyrolyseanlage bauen wir im Energiesystem des Tech Cluster Zug die Brücke hin zu einem emissionsfreien Areal. Wenn wir statt Erdgas Biomethan nutzen könnten, wäre die CO2-Bilanz sogar negativ.
Diese Pilotanlage ist die erste ihrer Art und soll nach erfolgreichem Probebetrieb in mehrfacher Ausführung skaliert und so auch weit über Zug hinaus zur Dekarbonisierung beitragen.
Welche ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile bringt diese Technologie für den Standort konkret – und warum ist sie für Sie ein logischer nächster Schritt?
Die ökologischen Vorteile sind eine wesentliche Reduktion von CO2-Emissionen. Wir rechnen mit jährlich 100 - 120 Tonnen CO2, die das Areal mit der Pilotanlage weniger ausstösst. Wir betrachten diese Technologie deshalb als eine entscheidende Veränderung für viele Industrieanlagen. Das Projekt ist charakteristisch dafür, was wir mit dem Tech Cluster erreichen wollen: Jede neue Technologie bringt Aufmerksamkeit und Interesse, aber auch Talente, die sich in Projekten und Unternehmen in innovativen Ökosystemen engagieren wollen. Der Tech Cluster eröffnet dafür Raum. Das Projekt hat Unternehmen und Wissenschafter von EMPA und ETH zusammengebracht, gemeinsam wird in unser Ökosystem investiert, sei es mit geistiger, technologischer oder finanzieller Unterstützung.
Was bedeutet die Anlage für die langfristige Entwicklung des Clusters – und wie fügt sie sich in die Gesamtvision eines klimaneutralen Standorts ein?
Der Cluster-Gedanke zielt darauf ab, dass sich auf dem Gelände Nutzungen überlagern und gegenseitig voneinander profitieren sollen. Dazu gehört die Produktion von Abwärme, Kälte oder Strom zwischen den einzelnen Nutzern innerhalb des Clusters, aber auch über die Grenzen des Clusters hinaus, beispielsweise über den Kälte- und Wärmeverbund «Circulago». Entsprechend kann die geplante Pyrolyseanlage auch relevant werden für die Energieversorgung in Zug Nord.
Geht von diesem Projekt eine Ausstrahlung über den Kanton Zug hinaus – etwa als Modell für andere Standorte oder Regionen?
Ja, Zug ist der ideale Ort für Innovationen, bekannt für kurze Wege und schnelle Entscheide. Wenn am Markt verfügbare Standardtechnologien noch weit von einem wissenschaftlich idealen System entfernt sind, versuchen wir in Zug mit Partnern Innovationen vom Labor in die industrielle Realität zu transformieren. Nicht nur die unternehmerischen Partner und Wissenschafter sind vor Ort, sondern auch der Geist und Mut sowie die Innovationsbereitschaft ist vorhanden, um den grossen Herausforderungen unseres Planeten mindestens punktuell gerecht werden zu können. Dies beginnt wie bei unserem Projekt im Kleinen und endet hoffentlich in einer globalen Wendepunkt für die industrielle Energieversorgung.